1.1      Definition

  • Sensorik:
  • Aufnahme von Informationen aus der Umwelt und deren Weiterleitung an das zentrale Nervensystem.
  •  Motorik:
  • Ansteuerung und die daraus folgende Anspannung der Muskulatur.

-> Sensomotorik ein Zusammenspiel zwischen der Aufnahme und Verarbeitung von Sinneswahrnehmungen sowie die Reaktion der Muskulatur und des Bewegungsapparats auf diese Wahrnehmung.

Motorische Abläufe werden durch sensorische Rückmeldung gesteuert und modifiziert

Muskeln bilden zusammen mit Faszien ein stützendes Gerüst, das unseren Körper im Lot hält. Ist dieses Verhältnis gestört, kommt es zur Dysbalance, zur Fehlhaltung!
(Hier bildlich dargestellt anhand einer Dose)

 

 

 

 

 

 

1.2      Tiefenmuskulatur – lokale Stabilisatoren

  • Die tiefe Schicht der Bauchmuskulatur, der M. transversus abdominis (querer Bauchmuskel), hilft bei der Bauchpresse, formt die Taille, er fixiert unsere Organe und wird auch tiefer Bauchmuskel genannt.
  • Die tiefe Schicht der Rückenmuskulatur besteht aus vielen kleinen Muskeln, den M. multifidii:
    Werden die kleinen Muskeln rund um die Wirbelkörper durch minimale Rotationen der Wirbelsäule gedehnt (zum Beispiel Hackbewegungen mit den Unterarmen), erfolgt reflexartig ein Anspannen der Muskulatur.
  • Die Beckenbodenmuskulatur
    Durch das Ansteuern der tiefen Muskulatur durch Reize von außen wird unsere Beckenbodenmuskulatur unwillkürlich aktiv.

Der Einsatz der Beckenbodenmuskulatur bewirkt eine Verkettung von folgenden Muskelgruppen: Tiefe Stabilisatoren, tiefer querer Bauchmuskel, tiefe Fasern des                               Rückenstreckers, Adduktoren an der Oberschenkelinnenseite, ischiokrurale Muskulatur an der Rückseite der Oberschenkel, M. piriformis als Außenrotator, der Hüftbeuger, das Zwerchfell, Fixatoren des Schultergürtels, Halsmuskulatur, Kaumuskel (in Anlehnung an „Gymnastik für den Beckenboden”, Häflinger, 1999, S. 26).

  • Die Stabilisatoren sind kurz, meistens eingelenkig, arbeiten tonisch, werden aktiv unabhängig von Bewegungen, bewirken selbst nur minimale Bewegungen in den                    Gelenksystemen, und stabilisieren die Gelenke in ihrer neutralen Zone (neutrale Zone = mögliche Bewegungsamplitude eines Gelenks in der Ruhestellung). Sie sind für die Kontrolle von Gelenkbewegungen zuständig.
  • Bewegen wir uns im Alltag, spannen unsere Stabilisatoren 50-125 Millisekunden vor den Mobilisatoren an (Quelle: Albrecht, 2006).
  • Ohne diese Vor- und Mitarbeit der tiefen Muskulatur könnten die Mobilisatoren ihre Kraft gar nicht vollständig entwickeln.
  • Doch durch unser Alltagsverhalten, und das damit verbundene Schonen der Muskulatur, verlernen die tiefen Schichten die koordinative Fähigkeit, rechtzeitig anzuspannen!
  • Das bedeutet für unsere Gelenke schnelleren Verschleiß und die Gefahr von Fehlbelastung.

      -> Am besten erreichen Sie die Ansteuerung der tiefen Muskelschichten durch das Training der Sensomotorik!

1.3      Sensomotorisches System

 

 

1.  Information

Hier findet die Weiterleitung von Impulsen der Sinnesorgane zu höheren zerebralen Zentren sowie die Bewusstmachung und Verarbeitung von Wahrnehmungen statt. Der Teilbereich lässt sich wiederum in zwei unterschiedliche Bereiche aufteilen:

          Exterozeption (extereo (lat.) = von außen): Die Exterozeption bezeichnet die Aufnahme und Weiterleitung von Informationen aus der Umwelt durch sogenannte                                 Exterosensoren. Diese nehmen Reize aus unserer Umwelt auf; z.B.: Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Druck, Vibration, Schmerz, Wärme- und Kälteempfinden.

          Propriozeption (proprius (lat.) = eigen; recipere (lat.) = aufnehmen). Propriozeption bezeichnet die Wahrnehmung von Körperbewegung und -lage im Raum (Buser et al. 2007). Über Propriorezeptoren kann die Lage des Körpers im Raum erfasst werden sowie Informationen über Muskelspannung, Muskellänge, Gelenkstellung und Gelenkbewegung.
Zu den Propriorezeptoren gehören Muskelspindeln, Ruffini-Körperchen, Vater-Pacini-Körperchen und die Golgi-Sehnenorgane.

2. Verarbeitung

Die Verarbeitung von Sinnesempfindungen kann einerseits über zentralnervöse Verarbeitungsprozesse und andererseits über spinale Reflexe erfolgen. Hierbei sind motorische Reflexe wichtige Bestandteile der Bewegungskontrolle (Fixierung von Gelenkstellungen, muskuläre Aktivitätsbereitschaft, Schutz vor morphologischen Überlastungen).

3. Ausführung

  • Beinhaltet die Steuerung der Willkürbewegungen und Anpassung der Muskelaktivitäten an Umweltbedingungen. Bewegungsvorgänge können in Zielmotorik und Stützmotorik    unterteilt werden. Die Zielmotorik umfasst hauptsächlich die distale Muskulatur, die für Feinbewegungen verantwortlich ist. Die Bewegung wird geplant., daher wird sie auch als Willkürmotorik bezeichnet. Die Stützmotorik umfasst hauptsächlich die proximale Muskulatur (Stamm- oder Axialmuskulatur), deren Innervation durch propriozeptive Eingänge bestimmt wird. Diese Bewegungskomponenten laufen weitgehend unwillkürlich (reflektorisch) ab. Daher spricht man auch von Reflexmotorik.
  • Das Training mit labilen Hilfsmitteln verbessert besonders die Sensomotorik!
  • Wir lernen innere und äußere Reize im Zentralnervensystem schneller zu verarbeiten und verbessern unsere Koordination, das heißt, sowohl die Zusammenarbeit der tief       liegenden Muskelgruppen mit den oberflächlichen Muskelgruppen als auch die Koordination der einzelnen Muskelfasern innerhalb eines Muskels
  • Das bedeutet für uns im Alltag und für andere Sportarten:

         –  verbessertes Gleichgewicht,

         –  bessere Reaktionsgeschwindigkeit,

         –  verbesserte Haltung,

         –  verbesserte Bewegung und Bewegungskontrolle,

         –  verbesserte Kraftfähigkeit und

         –  verbesserte Denkfähigkeit.

 

Testen Sie am besten die sensomotorischen Fähigkeiten Ihrer Teilnehmer indem Sie sie auf einem labilen Untergrund, zum Beispiel auf den Jumper stehen lassen und dabei kurz die Augen schließen! Wirklich nur kurz! Anfangs wird nach 3 s kaum noch ein Teilnehmer auf dem Jumper stehen. Bereits nach wenigen Trainingseinheiten werden Ihre Teilnehmer große Fortschritte erkennen. Das ist eine sehr schöne und kurze AHA-Übung, um Neueinsteiger von der Wichtigkeit des sensomotorischen Trainings zu überzeugen.

Reizverarbeitung im sensomotorischen Training

1.4      Was ist sensomotorisches Training?

  • Sensomotorisches Training ist ein koordinatives Training zur Verbesserung der Körperhaltung und Bewegungsabläufe. Der Trainingseffekt entsteht durch die gleichzeitige Verarbeitung zusätzlicher Reize, während die Muskulatur bereits damit beschäftigt ist ein anderes Haltungs- und Bewegungsprogramm durchzuführen.
  • Ein gezieltes Training der Sensomotorik führt zu einer Schulung und Verbesserung der:

           –  Tiefensensibilität und Körperwahrnehmung

           –  Posturalen Kontrolle

           –  Reflexaktivitäten

           –  Alltags- und sportmotorischen Bewegungsabläufen (Lokomotion)

           –  Inter- und intramuskuläre Koordination

           –  Statisches und dynamisches Gleichgewicht, Stabilität

  • Eingesetzt wird das sensomotorische Training hauptsächlich im Therapiebereich, nach Operationen oder (Sport)-Verletzungen. Jedoch sollte der präventive Aspekt/Effekt des sensomotorischen Trainings nicht außer Acht gelassen werden. Insbesondere beim Sport, sowohl Leistungs- als auch Freizeitsport, sollte sensomotorisches Training fest in den Trainingsablauf integriert werden um muskuläre Dysbalancen auszugleichen und Verletzungen vorzubeugen.
  • Ein sensomotorisches Training sollte bezüglich der Anforderung stufenweise aufgebaut sein und progressiv gesteigert werden

1.5      Praktische Erfahrungen

Beachten Sie alte Menschen, sie holen sich oft ein “drittes Bein” dazu, z.B. einen Spazierstock, um sicherer auf ihren Beinen zu stehen.

Aber auch junge Menschen sind meist bequem und woollen sich der Kippneigung nicht gerne allzu lange aussetzen.
Um den “Unbequemen” auszuweichen, setzt man sich hin oder stützt sich mit einer Hand ab um wieder mit drei Köperteilen statisch sicher zu sein.
Nutzen Sie diese Erkenntnis in Ihren Kursen und wandeln Sie einzige Übungen ab, spielen Sie mit diesem Wissen über Stabilität. Es reicht oft schon aus, sich nur auf die Zehenspitzen zu heben, die Füße auf ein Aero-Step zu stellen, ein Bein abzuheben, unter ein Knie einen Ball zu legen… Jede “altbewährte” Übung wird zu einer neuen Herausforderung! Es ist ein Training, das Konzentration erforder und Reflexe schult.

Somit ist sensomotorisches Training ein wichtiger Baustein im Training und macht jede altbekannte Übung intensiver, wertvoller und interessanter.