Rücken-, Hüft- und Schulterschmerzen sind weit verbreitet. Die Ursache dafür liegt häufig in einer „Unwucht“ der Körperstatik.
In diesem Auszug aus ihrem neuen Buch stellt Nici Mende Strategien vor, um die Körperachse in ihrer Funktion zu stabilisieren und Schmerzen langfristig entgegenzuwirken.

Was ist eigentlich die Körperachse?
Laut Definition handelt es sich um anatomische Orientierungspunkte, um die sich die „Masse“ des Körpers bewegt.
Eine Bewegungsrichtung kann so in verschiedene Achsen oder Ebenen unterteilt werden. Schaut man genau hin, erkennt man die Nähe zum Körperstamm.
Eigentlich handelt es sich hierbei um unseren „Dreh- und Angelpunkt“, die Wirbelsäule und das Becken.

Beinachse ausrichten
Die Gelenke der Extremitäten bilden ebenfalls Achsen, die die Gelenke führen sowie für die Gesundheit und Funktion der Strukturen sorgen.
Jeder, der einmal eine Knieverletzung hatte, weiß, wie wichtig es ist, die funktionelle Beinachse wiederherzustellen.
Gelingt dies nicht, stellen sich meist Spätfolgen der Verletzung (z.B. Arthrose) ein. Die Stammausrichtung hat essenziell mit der Stellung der Fuß-, Knie- und Hüftgelenke zu tun.
Ein funktionelles Körperachsentraining sollte also immer mit der Ausrichtung dieser Gelenke beginnen.

Bandapparat bewegen
Zurück zum Rücken und der Beckenstellung. Wer sich mit der Anatomie dieser Region beschäftigt, erkennt die Vielfalt an muskulären und bindegewebigen Schichten,
die den nahezu „knochenfreien“ Bauchraum schützen und stabilisieren.
Dort befinden sich nur die Wirbelkörper der unteren Brust- und gesamten Lendenwirbelsäule als passive, knöcherne Stützkomponenten.
Der restliche Bauchraum wirkt als eine Art Blähkörper stützend für die gesunde Ausrichtung der einzelnen Wirbelkörper.
Sie lagern übrigens in einem sehr faserreichen Gewebeschlauch, der die Stützlast und die Bewegung gewährleistet, solange er ausreichend Bewegungen und Ruhepausen erfährt.
Die Bewegung dieser wirbelsäulennahen Bandstrukturen versorgt, durch spiralähnliche Drehungen, Beuge- und Streckbewegungen in sämtlichen Achsen, zusätzlich die Bandscheiben.
Mit ausreichend Ruhepausen tragen diese Strukturen langfristig dazu bei, „Unwuchten“ auszugleichen und die Körpersymmetrie zu erhalten bzw. sie wiederherzustellen.
Häufig sind es übrigens genau diese Bandstrukturen, die schmerzauslösend wirkend.

Lokales Muskelsystem
Für jede muskuläre Bewegung sind Nerven erforderlich. Sie ermöglichen die muskuläre Arbeitsleistung. Die wichtige Aufgabe lautet hier: Kommunikation.
Jede Sekunde schicken unzählige Rezeptoren (z.B. Golgi-Sehnenorgan, Muskelspindel…) Informationen los, um Muskel(re)aktionen hervorzurufen.
Je nach Systemzugehörigkeit erfolgt die Muskelsteuerung willentlich (z.B. die Ansteuerung des Arms, um ein Glas zu heben) oder unwillentlich/autonom (z.B. die tiefensensible Ausrichtung unserer Wirbelsäule), quasi eine von uns unbemerkte Muskelspannung.
Diese überwiegend autonome Muskulatur findet sich nah am Körperstamm. Diese lokalen Muskeln bewirken trotz großer Arbeitsleistung kaum sichtbare Körperbewegungen, sind schwer zu spüren. Sie sind der Schlüssel für unsere Rückengesundheit. Denn springen sie nicht an, entstehen keine stoffwechselfördernden Zugbewegungen auf das Band- und Fasziensystem der Wirbelsäule und auch die aktive Stabilisierung der Wirbelausrichtung leidet.
So gilt es, dieses tiefe System zu fordern, ohne es zu überfordern. Übungen wie der Einbeinstand aktivieren diese eher kleinen Muskeln.
Auch die Ansteuerung des quer verlaufenden Bauchmuskels (M. transversus abdominis) ist hier zu nennen. Er gehört zwar ebenso wenig zur autochthonen Rückenmuskulatur (M. erector spinae) wie die Hüftbeuger (Mm. Psoas) und der quadratische Bauchmuskel (M. quadratus abdominis), ist aber dennoch ein Teil des Teams der tiefensensiblen Muskeln.
Arbeiten sie effizient zusammen, ergibt sich eine gut „geschnürte“ Taille und so eine innere Stütze für das Rumpfskelett.
Diese Spannung ist auch als „Core“, „Powerhouse“ oder „Korsettspannung“ bekannt. Stellen Sie sich einmal auf ein Bein und testen Sie ihre innere Bauchspannung – sie springt direkt mit an.
Tut sie dies nicht, ist der Einbeinstand meist wackelig oder gar nicht möglich.

Globales System funktionell trainieren
Um ein alltagsaktives Körpersystem aufzubauen, brauchen wir die großen Muskeln. Sie sind die „großen Geschwister“ die den kleinen zur Hilfe eilen können.
Spannen wir sie an, ergibt sich ein gutes Stützkorsett, das große Lasten tragen und unseren Körper willentlich ausrichten kann.
„Lasten“ ist allerdings auch das Stichwort für Unwuchten und Fehlstellungen. Unser Training sollte alltagsnah mit Lastenverteilungen und ausgleichenden Kraftreizen gestaltet sein.
Ein symmetrisch gut ausgeführtes Training hilft, die funktionelle Übungsausführung progressiv zu erlernen.
Da die Muskelpartner in der gesamten Rumpfwand direkte Kraftverbindungen in die Extremitäten haben, ist in der Achsenausrichtung letztlich auch die Position der Schulterblätter, Arme und Beine, ja sogar der Füße wichtig. Das zeigt sich z.B. auch beim breiten Rückenmuskel (M. latissimus dorsi).
Sein Ansatz liegt am Oberarm und es besteht eine kontralaterale Kraftlinie über den großen Gesäßmuskel zur Traktussehne (M. gluteus maximus – Tractus iliotibialis) bis unter das Knie.
Hier wiederum finden sich Verbindungen zum Schienbeinmuskel (M. tibialis anterior), der bis in den Fuß führt. Es gibt also viele gute Gründe, „global“ zu trainieren, um die Achsen zu zentrieren. Eine gute angesteuerte Muskulatur (lokal und global) hilft zusätzlich, das erwähnte Blähkörperkonzept auszuüben.
Hierbei wird durch die korsettähnliche Rumpfstabilität die Bauchhöhle komprimiert und eine zusätzliche Aufrichtung der Wirbelsäule gewährleistet.
Ist die bauchumspannende Muskulatur zu schwach, kann dieses ausgeklügelte Konzept nicht funktionieren.
Schlimmstenfalls ergeben sich sogar schmerzbringende Fehlzüge.

Myofaszien integrieren
Die gerade beschriebenen Verbindungen der globalen Muskeln weisen auf ein umfängliches Netzwerk der faserigen Bindegewebsstrukturen hin.
Die Faszien und Muskelfaszien sind mittlerweile ein fester Bestandteil der modernen Trainingswissenschaft und es lohnt sich, diese Strukturen auch im Achsentraining zu beachten.
Das kollagene Netzwerk benötigt zur vollen Funktionsentfaltung endgradige Zugbelastungen. Diese können sowohl fein als auch eher fließend sein oder mit gesicherten ruckartigen Bewegungen durchgeführt werden. Gesichert bedeutet hier, es sollte eine wirbelsäülenausrichtende Corespannung stattfinden.
Üben wir z.B. eine vorgebeugte, abgelegte Rumpfausrichtung (Back- extension) aus, wären als Vorbereitung federnde Finger-Boden-Bewegungen, inkl. diverser Knie und Fußpositionen (ggf. unterlegt), sinnvoll. So fördern wir nicht nur den strukturellen Stoffwechsel, sondern bereiten die funktionelle Gleitfähigkeit der Arbeitsmuskulatur vor.

 

Autorin: Nici Mende

Buchtipp: Nici Mende: Praktische funktionelle Anatomie

Praktische funktionelle Anatomie - Kompetenz im Gesundheitssport